Vom Vorteil der Ungenießbarkeit. Fliegenfischen in Ansfelden. Von Klaus Buttinger
Foto: Weihbold
Ansfelden.
Zwei Steinwürfe vom dichtest befahrenen Autobahnabschnitt in
Oberösterreich, ein Steinwurf von der buntesten Agglomeration von
Baubedarfsselbsthilfetempeln entfernt fließt die Krems Richtung
Traunfluss. Ihr Wasser befindet sich zwei Meter tief eingegraben in
die sie umgebenden Maisäcker. Ein dünner Korridor aus Büschen und
Bäumen dämpft die Geräusche der menschlichen Rastlosigkeit zu
einem Hintergrundrauschen. In dem tiefen, grünen Tal kann man für
wenig Geld fliegenfischen.
Ich
bin gerne dort, fange aber meistens nichts. Das liegt an den
faszinierenden Begegnungen, die man in dieser Alltagsoase hat. Sie
halten einen von der Jagd nach Schuppensilber ab. Da hüpft eine
Wasseramsel mit ihrem charakteristischen weißen Brustlatz um die
Flusssteine. Ein blauer Blitz saust vorbei – ein Eisvogel taucht
nach einem jungen Schneider. Langsam schlängelt sich eine
ausgewachsene Ringelnatter mit erhobenem Kopf auf mich zu. Ich stehe
bis zu den Knien im langsam fließenden Wasser und sehe einen Rehbock
zwanzig Meter entfernt, der dasselbe tut. Wir starren uns ein paar
Minuten lang an. Beide haben wir es nicht eilig an diesem Morgen. Der
Hermelin hingegen schon. Erstaunlich schnell durchläuft er auf
seinen kurzen Beinen den Slalom aus Ufervegetation.
Meine
Fliegen interessieren heute nur ein paar vorwitzige Jung-Aitel. Ich
hake sie schnell ab und lasse sie wieder schwimmen. Ein paar Bäume
habe ich mit meinen Fliegen bereits dekoriert, es ist nicht leicht,
hier im engen Dschungel zu werfen, ohne im Geäst hängenzubleiben.
Auch der Unterwasserbewuchs kassiert manchen Köder.
Dieser
Hänger ist allerdings anders. Der Fliegenhaken dürfte sich in
etwas, das aus der Entfernung wie ein Stofffetzen aussieht, verfangen
haben. Beim Näherwaten erkenne ich, es handelt sich um eine
Damenhandtasche, die hier schon länger zwischen den Steinen gesteckt
haben dürfte. Ich ziehe sie aus dem Schlamm und untersuche den Fund
an einer schottrigen Uferstelle. Kaputte Taschenlampe, durchweichte
Prospekte, Lippenbalsam, ein Bund bereits angerosteter Schlüssel,
eine Geldbörse. Darin Kredit- und Kontokarte, ein Behindertenausweis
und eine Handvoll Stammkundenkunststoff, alle lautend auf Sieglinde
R. aus Graz. Schlüssel, Ausweis und Plastikgeld packe ich in meinen
Rucksack.
Am
Abend suche ich ein Polizeiwachzimmer in Wels auf. Ich lege das
nasse, noch immer leicht dreckige Geborgene auf die Budel, von wo es
ein Beamter mit spitzen Fingern aufnimmt. Eine schnelle Recherche in
seiner Datenbank ergibt, dass Fr. R. die Tasche vor einem halben Jahr
in einem Linzer Eissalon gestohlen worden ist. Der oder die Diebe
haben die Tasche dann wohl von der Ansfeldner Kremsbrücke in den
Fluss geworfen, nicht ohne vorher die Beute von zwanzig Euro Bargeld
aus der Börse genommen zu haben.
Wenn
man in der Krems bei Ansfelden steht, kann man das silbrige
Aufblinken von Fischleibern im Wasser bemerken. Die Lichtreflexe
werden von Barben verursacht, die sich beim Abnagen von Algen auf die
Seite drehen. Barben mag keiner. Ihr Fleisch schmeckt nach Schlamm,
sie haben extrem viele Gräten und sind harte Kämpfer an der Angel – fast nicht aus dem Wasser zu bekommen. Ungenießbarkeit und
Widerstand zahlen sich aus.
Klaus Buttinger, geboren 1964, wohnhaft in Wels, seit zwanzig Jahren Magazin-Redakteur bei den "Oberösterreichischen Nachrichten" in Linz, Vorsitzender der oö. Journalistengewerkschaft, Mitbegründer und Professor h.c. der „Original Linzer Worte“. Schreibt in seiner Freizeit satirische Glossen und Bücher. Zuletzt erschienen: „Die Sau. Ein voll arger Heimatroman“. Fischt Fliegen.
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