Schilling und Stromausfall. Von Cordula Meindl

Es ist ein Sommertag, wir sind im Volksschulalter, gerade da, bevor das Leben irgendwie zu ernst wird und einen pubertäre Leidenschaften plagen. Es ist ein Tag mitten in den Sommerferien, so Ende Juli, bevor einem doch ein wenig fad wird in den Ferien. Es ist heiß, aber nicht so Klimawandel-2-Wochen-lang-38-Grad-heiß, sondern 33 bis 35 Grad. Das Gras ist so richtig dunkelgrün, die Sommergerste ist noch nicht geerntet und wogt goldgelb unter dem blitzlauen Himmel. Wir stehen spät auf, aber weil wir ja Kinder sind, ist spät um 7:30 Uhr herum. Die Wiese ist noch feucht vom Tau, ich steige auf eine Nacktschnecke - aber das ist auch schon das ziemlich Schrecklichste, was an diesem Tag passiert. Wir spielen Räuber und Gendarm oder bauen ein Lager im Wald am Bach, vielleicht spielen wir auch Playmobil unterm Nussbaum und verlieren die letzten paar Goldmünzen vom Piratenschatz im hohen Gras. Die Mutter werkt in der Küche und macht uns einen Kirsch- oder Heidelbeerstrudel, vielleicht auch einfach Erdäpfel mit Kräuter- und Eiersauce, weil es sie nicht kochen freut. Es ist jedenfalls wichtig, sie immer ein wenig im Haus werken und wirken zu hören. Am Nachmittag wecken wir sie mit unserem Gequietsche im Pool aus dem Mittagsschlaf, sie schimpft ein wenig, wir fliehen zum Nah und Frisch, der von 12 bis 15 Uhr Mittagspause hat, und holen uns um 8 Schilling ein Calippo-Wassereis. Schilling sind ganz, ganz wichtig für eine nostalgische Betrachtung, ohne gilt es eigentlich gar nicht. Ein Drittel vom Calippo lutschen wir beim Heimgehen, ein Drittel schmilzt währenddessen und wir trinken es aus der Tüte, ein Drittel verklebt uns Gesicht und Finger. Am Abend sitzen wir mit dem Vater bei der Jause auf der Terrasse, es gibt Tomaten aus dem Garten, dazu hat der Vater Beizkraut gepflückt. Am Himmel ziehen Wolken und ein erfrischender Wind auf, die ersten dicken Regentropfen fallen auf den Asphalt und erzeugen kleine Geruchsexplosionen. Vom Wohnzimmer aus schauen wir zu, wie die Blitze den Himmel durchschneiden, es gibt sogar 20 Minuten Stromausfall. Später schauen wir mit der Mutter Dornenvögel und dürfen einen Schluck Bolero trinken. Das Leben ist gut.

 
Cordula Meindl ist - in Humor-, Design-, Graphik- und Excellistenbelangen - die begabtere der Meindl-Schwestern, mindestens im Vergleich zur Proejtkleiterin, was diese jedoch nur in einer kleinen Biographiezeile zuzugeben bereit ist. Im realen Leben ist Cordula Meindl studierte Psychologin und Medienfachfrau. 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Ganz ohne Pressspann. Von Norbert Trawöger

16 Göttinnen. Von Stephan Roiss

Manfred. Von Karin Peschka