9-Volt-Block. Von Anna Weidenholzer

 
Foto: katsey

Eine Tätigkeit, die mich in meiner Kindheit über einen langen Zeitraum beschäftigen konnte, war das Testen von Batterien. Ich weiß nicht, ob es tatsächlich Stunden waren, die ich damit zubrachte, und ich kann nicht sagen, wann das Batterietestgerät in unseren Haushalt kam. Aber ich erinnere mich genau an die runden Knöpfe des Regals, an denen ich zog, um zu der Schachtel zu gelangen, deren Inhalt ich zügig auf den Boden kippte.

Dann saßen wir da, die Batterien und ich, die Mignons neben den Micros, dazwischen ein paar 9-Volt-Blöcke. Ich griff nach dem Testgerät und begann. Jede einzelne Batterie legte ich in das Fach, selbst die ausgelaufenen, und schob den Kontakt hoch.

Rot, orange, grün, ich blickte auf die Nadel. Mit etwas mehr Druck ließ sich das Rot gelegentlich auf ein Orange umstimmen. Manchmal brauchte es dazu mehrere Versuche, aber ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen, selbst von den stets aus der Reihe tanzenden 9-Volt-Blöcken nicht. So oft ich es versuchte, sie passten nicht. Hätte ich damals gewusst, dass sich ihr Ladezustand durch das Abschlecken der Pole überprüfen ließe, hätte ich von der Kunst gewusst, den Füllstand durch die Stärke des Zungenkribbelns zu beurteilen, ich hätte mir vieles erspart. Stattdessen versuchte ich wieder und wieder, einen Kontakt herzustellen, wo keiner war.

Hatte ich alle Batterien durchgetestet, legte ich sie zurück in die Schachtel, an manchen Tagen ging ich hinüber in die Küche und holte die Frühstücksflocken hervor. Aus dem Fernsehen wusste ich, dass die Möglichkeit bestand, nach Anblick dieser Packung auf einem Teppich, der unserem im Wohnzimmer stark ähnelte, durch die Welt fliegen zu können. Ich starrte den Karton an. Nichts passierte, es störte mich nicht. Die Gegenwart war mir genug, denn die Dinge sprachen zu mir.

Hallo, 9-Volt-Block, sagte ich.

Hello again, sagt er.


Anna Weidenholzer wurde 1984 in Linz geboren und lebt seit 2002 in Wien. Sie studierte Vergleichende Literaturwissenschaft in Wien und Wrocław, arbeitete währenddessen im Regionalressort einer Tageszeitung. Seit 2009 Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften und Anthologien. 2010 erschien der Erzählband „Der Platz des Hundes“, 2012 der Roman „Der Winter tut den Fischen gut“, mit dem sie für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war, 2016 der Roman „Weshalb die Herren Seesterne tragen“. 

Mitbegründerin von Österreichs dienstältester Lesebühne "Original Linzer Worte" 

Kommentare

  1. Das erinnert mich daran, dass in meiner Kindheit dieses Zungenspiel auch eine große und spannende Rolle spielte. Damals gab es ja in einem "normalen" Haushalt fast nur diese flachen Taschenlampenbatterien mit 4,5 V oder so, mit den beiden unterschiedlich langen Metallplättchen. Dieses elektrische Kribbeln auf der Zunge war dann auch ein Thema, als ich als Jungspund das erste Mal ein Mädchen küsste. Könnte aber auch sein, dass ich das verwechselt habe und das ebenfalls schüchterne Mädchen mir ganz einfach ihre Zähne spüren ließ. Aber was solls, kribbeln ist kribbeln!

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    1. Oder die junge Dame hatte eine Batterie im Mund versteckt!

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